Der traurige Fall der Sadie Brightland

Ich hatte in der Beta von Wildstar schon mit jemanden darüber gesprochen aber heute möchte ich mal einen längeren Beitrag zu dem Thema schreiben. Es geht um Sadie Brightland. Einen Charakter den man in Tutorial der Verbannten trifft und der theoretisch sehr viel Potential hat. Denn Sadie ist nicht nur eine Frau, sie ist eine Frau wie man sie in Videospielen nur selten zu Gesicht bekommt. Sie ist eine schwangere Frau.

Ich spiele nun schon seit vielen Jahren Videospiele. Ich möchte fast sagen mein ganzes Leben. Meine Anfänge lagen in Super Mario oder Zelda. Vielleicht war auch Astroides auf dem Atari 7800. So genau kann ich das nicht benennen. Auf jeden Fall spiele ich schon sehr lange und habe dabei miterlebt wie Videospiele erwachsen zu Jugendlichen wurden. Denn auch heute noch stecken die Videospiele was Storytelling angeht in den Kinderschuhen. Zwar gehen wir mit Spielen wie Mass Effect oder To The Moon kleine Schritte in die richtige Richtung aber alles in allem fehlt es dem Medium Videospiel trotzdem an Dingen die für mich ein „anspruchsvolles“ Medium ausmachen.

Anspruchsvoll im Sinne von Liebe, Gesellschaftskritik, aufzeigen von Missständen oder dem Auseinandersetzen mit unangenehmen Themen. Star Trek ist vielleicht ein gutes Beispiel dafür wie in anderen Medien solche Dinge erreicht werden. Hier finden sich Elemente von Politik, Technik, sozialen Aspekten, Wirtschaft… alles in eine abstrakte Zukunft verlegt die uns aber doch unsere eigenen Probleme zeigt. Auf der ersten Enterprise, während des Kalten Krieges, finden wir Chekov. Einen Russen. Den Feind. Wir finden Uhura. Eine Frau, dazu auch noch schwarz und sie ist gleichgestellt mit allen anderen Männern. Wir haben Sulu als Asiaten. Und natürlich haben wir Spok! Wo wir Menschen doch schon mit Rassismus untereinander kämpfen, wie könnten wir dann einen Außerirdischen akzeptieren? Noch dazu einen der ständig das menschliche Verhalten hinterfragt und uns bei jeder Gelegenheit den Spiegel vor die Nase hält?

Videospiele sind hingegen noch weit davon entfernt. Wildstar zeigt uns das auch wieder. Natürlich erwarte ich von Wildstar nun kein Star Trek zu sein. Aber wenn man schon eine Figur wie Sadie Brightland in das Spiel einführt dann sollte man sich seiner Verantwortung bewusst sein. Gerade weil Videospiele noch in den Kinderschuhen stecken.

Aber wer ist diese Sadie eigentlich? Im Spiel erwachen wir auf einem Raumschiff. Eigentlich wollte man uns gar nicht wecken sondern „Deadeye“ suchte nach seiner Frau. Er suchte nach Sadie. Nur durch eine Verwechslung hat man uns stattdessen aus dem Kryo-Schlaf geweckt. Damit das aber nicht umsonst war, helfen wir von da an Deadeye seine Frau zu finden. Man merkt, dass er sich sorgen um sie macht. Als wir sie dann endlich finden stellt sich heraus, dass sie Schwanger ist. Aber auch, dass sie nicht ohne Probleme geweckt werden konnte. Nun braucht sie ärztliche Hilfe. In einer weiteren Sequenz helfen wir dabei ärztliche Vorräte zu sammeln und Sadie zu retten.

Das ist der gesamte Plot auf dem Raumschiff. Während dieser Zeit scheint Sadie in den Zwischensequenzen enorm wichtig zu sein denn die Kamera hat lieber sie im Bild als Deadeye. Außerdem sieht man eine schwangere Frau nicht alle Tage in Videospielen. Gerade das macht sie für den Spieler so interessant und besonders. Sie sagt zwar in der ganzen Zeit nichts aber was soll eine Frau die krank auf einer Trage liegt auch groß sagen?

Später landet man dann auf Nexus. Eigentlich wollte man man direkt nach Thayd fliegen. Der Hauptstadt der Verbannten. Doch das Schiff wurde angegriffen und stürzt in der Wildnis ab. Der Spieler versucht nun Überlebende zu retten und kontaktiert ein Rettungsschiff. Gerade als das Schiff die Überlebenden retten will, wird es aber vom Dominion angegriffen und zerstört. Wenig später ruft ein wütender Deadeye „Sadie war an Bord, das wird das Dominion büßen“.

Gut. Also das Spiel tötet Sadie. Vielleicht will es damit zeigen, dass der Konflikt zwischen Dominion und Verbannten real ist. Nur ist die Art wie sie stirbt ist einfach nur schlecht in Szene gesetzt. Man sieht sie nicht. Man sieht nur ein Raumschiff das beschossen wird. Wenn man sie also wirklich so töten will dann doch bitte mit ein bisschen mehr Gefühl! Man hätte Deadeye zeigen können wie er ihr ins Schiff hilft, wie er sich verabschiedet und verspricht so bald wie möglich nachzukommen. Dann hebt das Schiff ab und wird vom Himmel geholt. Man sieht Deadeye wie er nur hilflos dabei zuschauen kann.

Sicher, das ist auch total kitschig und klischeehaft. Aber es würde zumindest den Effekt erzielen den man erzielen wollte. Denn im Spiel kann sich Deadeye nach 2 Minuten schon nicht mehr dran erinnern, dass er je eine Frau hatte. In der nächsten Zone bekämpft er „fröhlich“ Banditen. Gut fröhlich ist übertrieben aber man merkt auch nicht, dass er nun ein gebrochener Mann ist. Man spürt keine Verzweiflung, keine Wut.

Noch schlimmer ist natürlich, dass man mit einer schwangeren Frau die Büchse der Pandora öffnet. Es existieren bestimmte Grenzen die man in der Kunst nur mit bedacht überschreiten sollte. Gewalt gegen Kinder, Vergewaltigung, Angriffe auf Zivilisten (wobei hier Collateralschäden ein anderes Thema sind) und eben auch Gewalt gegen Schwangere. Besonders Letzeres ist etwas, dass sich auch in Filmen und Büchern nur wenige Autoren trauen. Und wenn dann nur mit entsprechender Inszenierung.

Game of Thrones ist mit seinen ganzen Morden nicht so packend und fesselnd weil ständig Personen sterben. Sondern weil ständig Personen sterben die man sorgfältig aufgebaut hat. Die man den Zuschauern (Lesern) ans Herz wachsen lässt um sie ihnen dann wieder zu entreißen. Oder aber es werden dort Menschen getötet um die Grausamkeit von bestimmten Akteuren zu unterstreichen. Dann lebt die Serie aber die Grausamkeiten aus. Sie zeigt sie uns in voller Härte aber was noch wichtiger ist, sie zeigt uns die Konsequenzen. Sie zeigt uns Menschen die durch diese Grausamkeit leiden. Wenn Sansa zum Beispiel ihr Vater genommen wird und sie dabei zusehen muss. Wenn Arya aus der Menge getragen wird um ihr den Anblick zu ersparen. Wenn dem Zuschauer die einzige Person genommen wird die für Ehre und Anstand steht.

Wildstar nimmt uns Sadie aber ohne das alles. Man sieht keinen Deadeye der leidet. Man sieht auch keine Sadie die leidet. Man sieht einfach nur ein lustig aussehendes Raumschiff das explodiert. Man sieht den Mord an einer schwangeren Frau der aber nicht schlimm erscheint. Alles ist bunt und lustig. Keiner scheint sich so wirklich dafür zu interessieren…

Videospiele sind halt was für Kinder.

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